Podiumsdiskussion: Organspende

Die Organspende kann die Chance für ein zweites Leben sein, bewegt die betroffenen Personen sehr stark und ist mit gewissen Vorbehalten und fehlender Information behaftet. Mit einer Podiumsdiskussion hat die evangelische Kirchengemeinde in Marquartstein das Thema aus einem besonderen Ereignisses aufgegriffen, wie Diakon Michael Sörgel bei der Begrüßung im evangelischen Gemeindezentrum Marquartstein ausführte. In einer Familie entschloss sich ein Familienmitglied zur Organspende. Anschließend sei die Familie in der Nachbarschaft in Kritik gestanden, da diese mit der Entscheidung nicht im Einklang gestanden habe, meinte Sörgel.

Das Podium war besetzt mit Hans Messinger als Betroffener und Empfänger einer Lunge, mit Dr. Birgit Krause-Michel, Ärztin für Innere Medizin, Palliativmedizin und Psychotherapie und Vorsitzende der außerklinischen Ethikberatung Südostbayern (SOB), mit Jens Diedrich, Fachanwalt für Medizinrecht und stellvertretender Vorsitzender der außerklinischen Ethikberatung SOB und mit Johannes Häberlein, Diakon und Supervisor und stellvertretender Vorsitzender der außerklinischen EthikberatungSOB. Die Moderation übernahm Sörgel.

Mit einem fachkundigen Podium wurde in Marquartstein das Thema Organspende behandelt und voll allen Seiten durchleuchtet. Diakon Michael Sörgel (re) das Podium v.l. Organempfänger Hans Messinger, Dr. Birgit Krause-Michel, Fachanwalt Jens Diedrich und Diakon Johannes Häberlein.

Hier schon mal der Vorgriff über die allgemeine Ansicht am Podium. Mehr Aufklärung und Information über die Organspende würde sicher zu mehr Bereitschaft zur Spende führen. Und dass die Angehörigen in der Situation, in dem sie einen Menschen verloren hätten, damit meist überfordert seien, auch noch die Entscheidung treffen zu sollen, ob Organe entnommen werden könnten. Darum sollte zu Lebzeiten die Spende geregelt sein.

Wie von der Ärztin zu erfahren war, besitzen in Deutschland etwa nur 40 Prozent der Bürger und Bürgerinnen einen Organspendeausweis. Das liegt nach ihrer Ansicht mitunter an der großen Verunsicherung, die mit der Organspende verbunden ist – und auch an der teilwiese reißerischen Berichterstattung darüber in den Medien. Als Hirntod wird das irreversible Ende aller Hirnfunktionen bezeichnet. Der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktionen bezeichnet den nicht behebbaren Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms, führte Krause-Michel aus. Da die Atmung künstlich aufrecht erhalten wird, in Verbindung mit dem vorhandenen Kreislauf, sehe der Patient, die Patientin rosig und schlafend aus und erscheine nicht als tot. Hingegen bei einem Kreislaufversagen werde der Körper blass und ein Ableben werde durch das äußere Erscheinungsbild für die Angehörigen ersichtlich, meinte Dr. Krause-Michel.

Bevor eine Person als Hirntod angesehen werde, müsse in einem aufwendigen Verfahren von zwei unabhängigen Ärzten oder Ärztinnen, die auch nicht an der Transplantation beteiligt seien, die eindeutige Diagnose gestellt werden. Das Verfahren wird nach zwölf Stunden wiederholt. Erst wenn sich die Diagnose hier wiederum bestätigt, wird der Hirntod festgestellt und die Organspende bzw. Organentnahme in Betracht gezogen und möglich. Die Diagnose sei eine technische Feststellung. Es stelle sich dann die Herausforderung, wie man das den Angehörigen beibringe, so Dr. Krause-Michel. Wenn eine Organspende möglich ist, wird nach der eingehenden Untersuchung von Eurotransplant festgestellt, wer das Organ bekommen soll. Die Ärztin fügte an, da das Schmerzzentrum im Hirn ausgeschaltet sei, gebe es bei der Spende keine Schmerzen.

Der Fachanwalt Diedrich griff gleich anfangs seiner Ausführungen den Skandal vor einigen Jahren auf, auf den sich Krause-Michel mit den Worten „reißerische Berichterstattung“ schon bezogen hatte. Die Ärzte seien unabhängig. Bei dem Vorfall damals sei es nicht ums Geld gegangen, so Diedrich. Sondern die Ärzte wollten ihre Patienten bevorzugen. Aktuell könne der Wille zur Organspende in Deutschland aktiv bekundet werden, wie durch den Organspendeausweis. Liegt kein Organspendeausweis vor, werden Angehörige befragt ob der Wille geäußert worden ist oder bekannt ist. Wenn der Wille zur Spende weder schriftlich noch mündlich eindeutig bekundet wurde, entscheide der nächste Angehörige darüber, so der Fachanwalt.

Er persönlich sei gegen die Widerspruchsregelung, die aktuell als Gesetzesvorschlag diskutiert werde, sagte Diedrich. Denn in Deutschland sei durch das Grundgesetz festgelegt, dass, wenn man keine Entscheidung getroffen hat,  dies nicht automatisch dazu führe, dass die fehlende Entscheidung als ja interpretiert werden dürfe. Der Vorschlag gehe von einer bestehenden Einwilligung aus. Und wenn den Angehörigen der Willen nicht bekannt ist, komme es zur Spende, so Diedrich.

Besonders schwierig sei es für die Angehörigen, wenn die Organspende zu Lebzeiten nicht geregelt sei, sagte Diakon Häberlein. Er merkte auch an, dass von einer Organspende nicht gesprochen werden könne, wenn kein Ausweis vorhanden oder der Wille dafür nicht bekannt sei. Hier müsse man von der Organentnahme sprechen, meinte Häberlein. Es sei die Frage offen, ob der Hirntod der finale Tod sei. Hier könne er sagen, dass die beiden großen Kirchen den Hirntod als finalen Tod anerkennen. Wichtig sei, dass kein sozialer Druck aufgebaut werde und mit den Angehörigen einfühlsam umgegangen wird und sie ausreichend informiert würden. Sonst bestehe die Gefahr, dass Raum für Phantasien aufkommen könne, so Häberlein.

Der Mittelfranke Messinger hat im Alter von 50 Jahren die Diagnose der unheilbaren Krankheit Lungenfibrose bekommen, war dann kurz darauf auf Sauerstoff angewiesen und nach 14 Jahren der Krankheit konnte er kaum noch Treppensteigen und das Sprechen fiel ihm schwer. Im August 2014 wurde ihm erfolgreich eine Lunge transplantiert. Wie er berichtet, bekam er sofort nachdem er aus der Narkose aufgewacht sei wieder ausreichend Luft. Anfangs musste er täglich 54 Tabletten einnehmen. Heute hat sich das auf ein Fünftel reduziert. Nachdem er nach der Transplantation wieder daheim war, pflanzte er einen Wald mit 1200 Bäumen und im Frühjahr 2016 machte er mit dem Fahrrad den Jakobsweg. Er habe nach der Operation Demut und unendliche Dankbarkeit verspürt, so Messinger.

Aus dem Publikum kam die Frage, ob Hirntod wirklich Tod sei. Darauf meinte der Fachanwalt, wissenschaftlich ja. Jedoch ethisch gesehen müsse man das individuell betrachten. Da sei es wichtig in der Familie darüber zu reden, so Diedrich. Nachdem die Wissenschaft auch nicht alles wisse, werde weitergeforscht, so die Fachärztin. Jedoch sei der Hirntod ein sicheres Zeichen für den Tod. Eine weitere Frage aus den Besucherreihen ging darum, ob durch eine Organspende die Patientenverfügung konterkariert werde? Das sei in der allgemeinen Diskussion ein großes Thema, sagte Krause-Michel. Die Erhaltung der Organe sei keine lebensverlängernde Maßnahme, so die Fachärztin.

Eine Besucherin wollte vom Podium erfahren, ob es für die Organspende eine Altersbeschränkung gebe und ob ggf. ein Trauma von traumatisierten Spendern auf die Empfänger übergehe? Es gebe keine Altersbeschränkung, so Krause-Michel. Sie fügte noch an, dass jeder auch festlegen könne, welche Organe entnommen werden dürften und beantworte somit gleich eine weitere Frage. In der Traumaforschung sei es keine gängige Meinung, dass das Trauma übergehe, sagte Häberlein. „Das Trauma habe ich während der Krankheit gehabt. Nach der Transplantation Glücksgefühle“, sagte Messinger.  

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